Das mach‘ ich morgen!

Viele werden es kennen – eine Aufgabe, die als unangenehm empfunden wird oder eine große Herausforderung darstellt, wird immer weiter hinaus gezögert. Das Aufschieben von Aufgaben und Pflichten ist ein verbreitetes Phänomen und tritt besonders oft im beruflichen oder schulisch-universitären Kontext auf. Sei es die Hausarbeit, deren Abgabefrist immer näher rückt oder die E-Mail an den Kunden, die schon vorgestern das Postfach hätte verlassen sollen.

Auch in den sozialen Medien gewinnt das Thema Aufschieben immer öfter an Relevanz, was als Indiz dahingehend gewertet werden kann, dass viele Nutzer*innen sich mit diesem Verhalten identifizieren. In diesem Zusammenhang ist meist von der sogenannten Prokrastination die Rede. Der Begriff beschreibt ebenfalls das Aufschieben von Tätigkeiten, jedoch in einem pathologisch auffälligeren Sinne – er beschreibt eine Störung der Selbststeuerung, die bei den Betroffenen mit starkem Leidensdruck verbunden ist. Dabei werden Ersatzhandlungen ausgeübt, um die eigentliche Aufgabe, die notwendig oder von persönlicher Relevanz ist, zu umgehen. Bereits während des Aufschiebens oder Prokrastinierens können Druck und Stress entstehen, da den Betroffenen bewusst ist, dass sie gerade eigentlich eine andere Aufgabe erledigen müssten. Weitere negative Konsequenzen umfassen unter anderem:

  • Steigende Angst durch das Vermeidungsverhalten
  • Schuldgefühle gegenüber anderen Personen (z.B. Arbeitgeber*in, Kolleg*innen) und sich selbst
  • Selbstzweifel und Verringerung des Selbstwertgefühls
  • Leistungseinbußen aufgrund von Zeitmangel

Während es für Menschen, die Aufgaben gelegentlich aufschieben, bei zeitweisem Stress und Druck bleibt, führt Prokrastination bei einem anderen Teil zu dauerhaften Belastungszuständen und einem regelrechten Leidensdruck. Insbesondere aufgeschobene berufliche Aufgaben stellen zudem einen Risikofaktor für einen Jobverlust dar.

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Was sind die Ursachen für Aufschiebe- und Prokrastinationsverhalten?

Was veranlasst uns Menschen dazu, selbst kleinste Aufgaben hin und wieder hinauszuzögern und dadurch negative Konsequenzen in Kauf zu nehmen? Die Ursachen sind vielfältig und nicht selten kann es auch durch eine Kombination mehrerer Faktoren zu Aufschiebeverhalten kommen. Im Folgenden findest du einige mögliche Gründe:

Angst vor Misserfolg. Fürchten wir uns vor Kritik oder Versagen, kann dies dazu führen, dass wir der Konfrontation entgehen möchten und die Aufgabe hinausschieben und verdrängen. Wir scheinen uns vor einem potentiellen Misserfolg zu schützen.

Perfektionismus. Studien zeigen, dass besonders Menschen mit ausgeprägterem Perfektionismus Prokrastinationsverhalten zeigen. Dies kann durch teilweise unrealistisch hohe Ansprüche an sich selbst und die eigene Leistung hervorgerufen werden, sodass aus Sorge, die Aufgabe nicht perfekt erledigen zu können, diese gar nicht erst begonnen wird.

Mangelnde Motivation. Erscheint uns eine Aufgabe uninteressant oder kaum lohnenswert, sinkt die Motivation, diese auszuführen.

Überlastung und Überforderung. Aus einer Arbeitsüberlastung und -überforderung kann resultieren, dass die Konzentrationsfähigkeit einer Person sinkt und dadurch auch einfache Aufgaben als nicht zu bewältigen wahrgenommen werden.

Smartphones und Social Media. Nicht zuletzt die Nutzung von Smartphones und Social Media kann das Aufschieben von Aufgaben begünstigen. Aufgrund ihrer kurzfristigen Belohnungswirkung stellt es eine wesentlich attraktivere Beschäftigung für viele Menschen dar.

Was kannst du gegen Aufschiebeverhalten und Prokrastination tun?

  1. Selbstreflexion. Es erscheint banal, aber zu erkennen, dass man gerade eine Aufgabe aufschiebt ist der erste Schritt, um Prokrastination entgegenzuwirken. Reflektiere, welche Aufgabe du aufschiebst und warum.
  2. Zielsetzung. Nun überlege, welches Ziel du vor Augen hast und wie du es erreichen kannst. Wir empfehlen dir bei größeren Aufgaben, einen Schritt-für-Schritt-Plan zu erstellen. Die einzelnen Schritte und Teilziele sollten so präzise wie möglich formuliert sein. Belohne dich für die großen und kleinen Erfolge.
  3. Minimiere Ablenkungen. Vielleicht hast du während der Selbstreflexion festgestellt, dass dich bestimmte Quellen immer wieder von der eigentlichen Tätigkeit ablenken – sei es eine Benachrichtigung auf dem Smartphone oder die Wäsche im Korb, die du noch bügeln möchtest. Überlege dir, wie du diese Ablenkungsquellen minimieren kannst. So wäre es denkbar, das Smartphone stummzuschalten und in einem anderen Zimmer zu platzieren oder einen festen späteren Zeitpunkt festzulegen, zu dem du die Wäsche bügeln wirst.
  4. Arbeitsatmosphäre. Neben der Minimierung von Ablenkungen ist es ratsam, dir deinen Arbeitsplatz angemessen zu gestalten. Das ist einerseits wichtig, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der du dich wohl fühlst und gut arbeiten kannst. Gleichzeitig kann es dich bei Ausübung der Aufgabe stören und ablenken, wenn du zwischenzeitlich aufstehen musst, um dir einen Stift oder ein Glas Wasser zu holen.
  5. Regelmäßige Pausenzeiten. Das menschliche Gehirn hat keine unendlich reichende Kapazität und so ist es wichtig, dass du dir regelmäßige und zeitlich begrenzte Pausen setzt. In diesen Pausen ist es empfehlenswert, dich kurz zu bewegen oder an die frische Luft zu gehen. Überlege dir vorneweg, was du in den jeweiligen Pausen machen könntest. Du kannst auf auf verschiedene Methoden zurückgreifen, wie beispielsweise die sogenannte Pomodoro-Technik*.
  6. Unterstützung. Du hast dennoch das Gefühl, die Aufgabe nicht meistern zu können? Vielleicht fühlst du eine innere Blockade oder du verfügst nicht über all die Voraussetzungen, um die Aufgabe angemessen zu erfüllen? Dann ist es ratsam, dich an Familie, Freund*innen, Kolleg*innen oder Expert*innen zu wenden, um über deine Situation zu sprechen. In einem Gespräch kannst du gemeinsam mit anderen reflektieren, welche Gefühle in Bezug auf die Aufgabe bei dir entstehen was zu dieser Blockade führt.

*Pomodoro-Technik: Die Pomodoro-Technik ist eine Zeitmanagement-Methode, die darauf abzielt, die Produktivität zu steigern und die Konzentration zu verbessern. Dabei stellt man einen Timer auf eine Pomodoro-Einheit (25 Minuten) und arbeitet in dieser Zeit an der Aufgabe. Nach jeder abgelaufenen Pomodoro-Einheit erfolgt eine fünfminütige Pause. Nach insgesamt vier Pomodoro-Einheiten wird empfohlen, eine längere Pause von etwa 15 bis 30 Minuten einzulegen.

Noelle-Julie Brand
Author: Noelle-Julie Brand

Psychologie (B.Sc.)

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