Hohe Anforderungen, Termindruck und ständige Erreichbarkeit durch Smartphones – die Grenzen zwischen Job und Freizeit verschwimmen heutzutage immer öfter. Mal kurz die E-Mails und den Terminkalender am Wochenende checken – was früher als Ausnahme galt, ist heute mittels Fernzugriff auf berufliche Daten zur Regel geworden. Insbesondere im Kontext des Home-Office gestaltet sich die Trennung von Arbeit und Privatleben als immer komplexer. Die Folge: Arbeitnehmer:innen finden es oft herausfordernd, nach der Arbeit tatsächlich abzuschalten.
Der Beruf ist für viele weit mehr als lediglich ein Mittel zum Lebensunterhalt. Er formt einen bedeutsamen Teil unserer Identität und prägt maßgeblich unsere Selbstwahrnehmung, sowie unser Verständnis von der Welt um uns herum. Das Erreichen beruflicher Ziele und der Erfolg am Arbeitsplatz spielen eine zentrale Rolle für unser Selbstwertgefühl – sie haben die Kraft, unser Selbstvertrauen zu stärken und das Gefühl persönlichen Erfolgs zu kultivieren. Auf der anderen Seite können Misserfolge und beruflicher Stress schnell zu persönlichen Belastungen werden, die sich nachteilig auf das Privatleben auswirken. Die Furcht vor dem Versagen und der ständige Vergleich mit Kolleg:innen können Unsicherheit und Ängste hervorrufen. Die Belastung durch beruflichen Stress kann dazu führen, dass Arbeitnehmer:innen in ihrer Freizeit nicht vollständig präsent sind, sondern vielmehr in den Gedanken an die Anforderungen des Arbeitsalltags verweilen.
Welche Auswirkungen gehen unter anderem mit einem Nicht-Abschalten-Können nach getaner Arbeit einher?
Leistungseinbußen und Konzentrationsprobleme. Das ständige Beschäftigtsein mit beruflichen Gedanken kann zu mentaler Erschöpfung bei den Betroffenen führen. Eine verminderte kognitive Leistungsfähigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten können die Folge sein.
Schlafstörungen. Sie sind eine häufige Konsequenz bei Personen, denen es schwerfällt, sich nach der Arbeit gedanklich von dieser zu distanzieren. Darunter fallen Ein- und Durchschlafstörungen, eine verschlechterte Schlafqualität, sowie zu frühes Aufwachen. Langfristig erhöht sich das Risiko eines chronischen Schlafmangels, welcher in Verbindung mit verschiedenen gesundheitlichen Risiken, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Depressionen steht.
Emotionale Belastung. Die Unfähigkeit, nach der Arbeit abzuschalten, geht oft mit emotionalen Belastungen einher. Betroffene neigen dazu, eine allgemein gereizte Stimmung zu entwickeln und selbst auf Kleinigkeiten mit intensiven Gefühlen von Frustration und Gereiztheit zu reagieren.
Angespannte Beziehungen. Die ständige Beschäftigung mit beruflichen Angelegenheiten kann sich negativ auf die zwischenmenschlichen Beziehungen auswirken. Insbesondere in persönlichen Beziehungen, sei es zu Partnern, Familie oder Freunden, kann die Unfähigkeit, abzuschalten, zu Spannungen führen. Die emotionale Distanzierung und die Einschränkung der Präsenz im Moment können dazu beitragen, dass nahestehende Menschen sich vernachlässigt oder nicht ausreichend unterstützt fühlen.
Gesundheitliche Risiken. Die anhaltende Belastung durch den fortgesetzten beruflichen Stress kann ernsthafte Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit haben. Langfristig erhöht sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und andere stressbedingte Gesundheitsprobleme.
Soziale Isolation. Die Schwierigkeit, nach der Arbeit abzuschalten, kann zu sozialer Isolation führen. Betroffene neigen dazu, sich weniger an sozialen Aktivitäten zu beteiligen, was zu einem Rückzug aus dem sozialen Umfeld und einer Verringerung der sozialen Unterstützung führen kann.
Was kannst du tun, um nach der Arbeit besser abschlaten zu können?
In einer Welt, in der der Beruf so tief in unsere Identität eingreift, ist es von zentraler Bedeutung, bewusst Wege zur Entlastung und Förderung der Work-Life-Balance zu finden. Im folgenden möchten wir dir einige Möglichkeiten aufzeigen, wie du dich nach Feierabend besser von deiner Arbeit distanzieren kannst.
Feste Abschlussrituale. Schaffe dir klare Übergänge zwischen Arbeit und Freizeit. Du könntest beispielsweise zum Ende des Tages einen Moment innehalten und den PC achtsam und bewusst ausschalten. Vielleicht hilft es dir, zu jedem Feierabend einen guten Moment aufzuschreiben, der dir auf der Arbeit widerfahren ist. Manchmal kann es hilfreich sein, den Arbeitsalltag symbolisch hinter dir zu lassen. So wäre es vorstellbar, dass du dir achtsam die Hände wäschst, bevor du die Arbeitsstelle verlässt und dir dabei vorstellst, wie du all die Sorgen und den Stress zum Abschied von dir abwäschst.
Klare Grenzen setzen. Überlege, wie du dir selbst klare Grenzen setzen kannst, um Arbeit und Privatleben voneinander zu trennen. So solltest du beispielsweise keine beruflichen Angelegenheiten nach der Arbeit checken oder klären. Besser ist es, du schreibst dir noch während deiner Arbeitszeit eine To-Do-Liste für den nächsten Arbeitstag. Mache dir immer wieder bewusst, dass du ein Recht auf Freizeit und Privatleben ohne jeglichen beruflichen Pflichten in dieser Zeit hast.
Digitale Auszeit. In einer zunehmend digitalen Welt kann es besonders herausfordernd sein, sich von beruflichen Angelegenheiten zu distanzieren. Erwäge daher, bewusste „digitale Auszeiten“ einzuplanen. Das bedeutet, für einen festgelegten Zeitraum am Abend jegliche digitalen Geräte, insbesondere berufliche Kommunikationsmittel, bewusst auszuschalten. Dies schafft nicht nur physische Distanz zur Arbeit, sondern ermöglicht auch eine erholsame Zeit für persönliche Aktivitäten und soziale Interaktionen. Berufliche Chat-Gruppen oder ähnliches solltest du stummschalten.
Soziale Kontakte. Investiere aktiv in soziale Interaktionen nach der Arbeit. Ob es ein gemeinsames Abendessen mit der Familie oder ein Telefonat mit Freunden – soziale Bindungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Entspannung nach der Arbeit. Der Austausch über nicht-arbeitsbezogene Themen ermöglicht es dir, gedanklich Abstand zur Arbeit zu gewinnen. Zudem stärkt es dein „Ich“ außerhalb deiner Arbeits-Rolle.
Körperliche Aktivität. Ob ein Spaziergang im Park, eine Runde Joggen oder der Besuch eines Fitness-Studios. Plane regelmäßige körperliche Aktivitäten außerhalb deiner Arbeitszeiten ein, um wortwörtlich „den Kopf freizukriegen“ und den Stressabbau zu unterstützen.
Hobbys. Plane bewusst Zeit für Hobbys ein. Egal, ob es sich um das Lesen eines Buchs, das Musizieren, Malen oder andere persönliche Interessen handelt – Hobbys bieten eine angenehme Ablenkung und fördern das Abschalten.
Author: Noelle-Julie Brand
Psychologie (B.Sc.)