Die Unsichtbaren Hürden: Warum Menschen mit mentaler Überlastung oft keine Hilfe annehmen

Die Wichtigkeit der mentalen Gesundheit wird zunehmend anerkannt, dennoch zögern viele Menschen, die mit mentalen Belastungen kämpfen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die unsichtbaren Hürden, die oft im Stillen wirken und Menschen davon abhalten, die Unterstützung anzunehmen, die sie benötigen. Doch zunächst möchten wir darüber reflektieren, was professionelle Hilfe eigentlich bedeutet.

Professionelle Hilfe: Experten für jedes Problem

Manchmal ähneln unsere Lebensreisen holprigen Straßen, auf denen sich Hindernisse auftun – sei es im mechanischen Getriebe eines Autos oder in den Tiefen unserer eigenen Gefühlswelten. Wenn unser Auto zickt, zögern wir nicht, die KFZ-Werkstatt aufzusuchen, um das Problem durch Expertenhand beheben zu lassen. Beim Auftreten von inneren Belastungen sieht das hingegen anders aus. Hier denken wir oft garnicht an das Naheliegenste und vermeiden es, in die „mentale Werkstatt“ zu fahren.

Dabei ist es so hilfreich, in Phasen, in denen emotionale Überlastung und Herausforderungen auftreten, professionelle Hilfe anzunehmen – so, wie wir unser Auto den Spezialisten in der Werkstatt anvertrauen.

In der Werkstatt analysieren Fachleute sorgfältig das Problem, suchen nach den Ursachen und bieten maßgeschneiderte Lösungen an. Genauso geht eine Psychologin im Beratungsgespräch auf die individuellen Herausforderungen ein, analysiert die Ursachen von Überlastung und reicht die Hand zur individuellen Unterstützung. Werkstatt und Beratungszimmer werden zu Orten, an denen Experten daran arbeiten, uns wieder auf die reibungslose Fahrt des Lebens zurückzuführen.

Warten wir zu lange, um das Auto in die Werkstatt zu bringen, können sich die Probleme verschlimmern, der Schaden wird größer und am Ende entstehen erhebliche Kosten. Ebenso verhält es sich mit unserer mentalen Gesundheit. Rechtzeitige professionelle Unterstützung kann dazu beitragen, dass kleine Herausforderungen nicht zu größeren Problemen werden.

Menschen sind keine Autos – und mentale Überlastung oft nicht sichtbar

Im Kontrast zu Autos lassen sich emotionale Herausforderungen und mentale Belastungen nicht einfach durch den Austausch oder die Reparatur von Teilen beheben. Unsere Gefühle, Gedanken und Erfahrungen formen ein komplexes System, das eine individuelle Herangehensweise erfordert. Jedes Menschenleben ist ein Unikat, jedoch teilen wir oft ähnliche Herausforderungen, da wir alle zur gleichen Zeit in derselben Gesellschaft leben. Obwohl die individuellen Geschichten einzigartig sind, sind die zugrundeliegenden Probleme oft ähnlich.

Ein Vorteil den uns Autos zuvor haben, sind die Warnleuchten, die immer dann blinken, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Sie weisen uns darauf hin, wann wir in die Werkstatt fahren sollten. Bei uns Menschen gibt es ebenfalls solche Warnleuchten, allerdings sind sie schwerer zu erkennen, denn diese können sich von Mensch zu Mensch unterscheiden.

Hier ist eine Auflistung von Warnleuchten, die daraufhin deuten können, dass ein Besuch der mentalen Werkstatt sinnvoll sein könnte.

  1. Anhaltende Schlafprobleme: Schwierigkeiten beim Einschlafen, Durchschlafen oder häufiges Erwachen.
  2. Ständige Müdigkeit: Eine anhaltende Erschöpfung, trotz ausreichendem Schlaf.
  3. Sozialer Rückzug: Ein plötzlicher Rückzug von sozialen Aktivitäten und Isolation.
  4. Veränderungen im Essverhalten: Übermäßiges Essen oder der Verlust des Appetits
  5. Konzentrationsschwierigkeiten: Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, Entscheidungen zu treffen oder Aufgaben zu erledigen.
  6. Stimmungsschwankungen: Starke und anhaltende Schwankungen in der Stimmung, von extremen Hochs zu extremen Tiefs
  7. Gefühle von Hoffnungslosigkeit: Ein anhaltendes Gefühl der Hoffnungslosigkeit oder Niedergeschlagenheit.
  8. Unbegründete Ängste oder Panikattacken: Plötzliche und intensive Ängste oder Panikattacken.
  9. Gedankenkreisen oder Grübeln: Übermäßiges Grübeln, insbesondere über negative Gedanken.
  10. Verlust des Interesses an Aktivitäten: Ein plötzlicher Verlust des Interesses an früher geliebten Aktivitäten.
  11. Körperliche Beschwerden ohne klare Ursache: Chronische Kopfschmerzen, Magenprobleme oder andere körperliche Beschwerden ohne offensichtliche Ursache.
  12. Erhöhte Reizbarkeit: Übermäßige Reizbarkeit, Wutausbrüche oder eine niedrige Frustrationstoleranz.
  13. Substanzmissbrauch: Ein vermehrter Konsum von Alkohol oder Drogen als Bewältigungsmechanismus.

Die Gründe für das Zögern trotz erkannter Warnleuchten

Obwohl wir die Warnleuchten für mögliche mentale Herausforderungen erkennen, zögern wir, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Grund könnte in der weitverbreiteten Vorstellung liegen, dass die eigenen Probleme nicht „schlimm genug“ sind, um die Dienste eines Psychologen zu benötigen. Das Gefühl, dass andere drängendere Probleme haben und unsere eigenen Sorgen als geringfügig erscheinen, kann zu einem Zögern führen.

Bei unserem Auto machen wir diesen Unterschied nicht. Hier ist es uns völlig egal, ob wir wegen eines Reifenwechsels oder einer Wartung die Werkstatt aufsuchen, während andere wegen eines Motorschadens dort sind.

Stigma und Scham spielen eine Rolle, wodurch der Weg zu psychologischer Unterstützung als Zeichen von Schwäche betrachtet wird. Aber nur weil wir denken, das andere Menschen besser mit dem Leben klarkommen, obwohl die meisten Menschen tagtäglich vor denselben Problemen stehen.

Wir sind uns dieser Herausforderungen bewusst und möchten dich ermutigen, so weit zu gehen, wie es für dich richtig ist. Unser Ziel ist es, dir dabei zu helfen, Bedenken zu überwinden und das Vertrauen zu stärken, den Kontakt zu unseren Expert:innen aufzunehmen, wenn du gerade das Gefühl hast, dass dir ein Gespräch helfen könnte.

Deshalb bieten wir ab sofort die Möglichkeit an, einen „30 Minütigen-Kurzcheck“ mit unseren Expert:innen zu vereinbaren. Nutze die Gelegenheit, etwas Gutes für deine mentale Gesundheit zu tun.

Noelle-Julie Brand
Author: Noelle-Julie Brand

Psychologie (B.Sc.)

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